Die Erbsünde der Public Relations

…oder: Warum ich keine PR mache. OK, da schreibt einer immer wieder über professionelle Kommunikation, arbeitet noch dazu in dem Gebiet und behauptet, er mache keine PR. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Aber: Das Ganze hat einen Grund und der liegt in der DNA der Public Relations.

Machen wir uns nichts vor: Bei Public Relations geht es um das Beeinflussen von Meinungen. Und wer hat Meinungen? Menschen. Also geht es um das Beeinflussen von Menschen. Das muss für sich genommen noch keine Katastrophe sein. In der Bildung geht es schließlich auch darum, Menschen (zum Positiven) zu beeinflussen. Der wesentliche Unterschied liegt aber in der Frage, wozu die Menschen beeinflusst werden. Zu ihrem Wohl, ihrer Weiterentwicklung und transparent oder zum Wohle des Beeinflussenden und diffus?

PR ist eine Disziplin des 20. Jahrhunderts

Public Relations sind von vorne herein zu aller erst an einem marktwirtschaftlichen Nutzen orientiert. Dazu gleich mehr. Während das Beispiel der Bildung zuerst dem Humanismus verpflichtet ist. Eigentlich. Aber das ist ein anderes Thema. Worin aber liegt nun die provokant angekündigte Erbsünde der PR?

Sie liegt zunächst ganz am Beginn der Disziplin. Etwa mit Anfang des 20. Jahrhunderts hat die moderne PR begonnen, zu dem zu werden, was sie ist. Möglich gemacht haben dies die Mittel der Modernen Kommunikation. Dazu muss man folgende Fragen stellen: Was war die ursprüngliche Motivation für PR? Und wie ging die Genese von statten? Die einfachste und kürzeste Antwort:

Die Quelle der Public Relations ist die Propaganda

OK. Steile These. Irgendwas zu behaupten ist dieser Tage ja nicht die Kunst. Da muss also noch ein bisschen mehr kommen. Kam es. Nicht von mir und auch bereits im Jahr 1928 von Edward Bernays. Bernays gilt als „Vater der Public Relations“. Er hat damals das (meiner Meinung nach bis heute als solches anzusehende) Standard-Werk zu PR veröffentlicht. Dessen Titel:

Propaganda. Die Kunst der Public Relations.

https://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda_(Buch)

Aus dem Vorwort der neunten Auflage aus 2018 von Prof. Dr. Klaus Kocks (2011) und gleichsam erste Worte der Ausgabe:

Edward Bernays Buch „Propaganda. Die Kunst der Public Relations“ ist das derzeit modernste und wichtigste Werk der PR, obleich es aus dem Jahr 1928 datiert. Man muss dieses Buch zur obligatorischen Lektüre aller modernen PR-Manager erklären, obwohl es auch in der Handbibliothek des Joseph Goebbels stand.

Zum Buch: https://amzn.to/2Gjcscx

Ich finde, Kommunikations-Profis, die von sich behaupten, PR zu machen, sollten das Buch unbedingt gelesen haben (genauso wie den Code de Lisbonne z.B. auch; beides an einigen Stellen nur schwer in Einklang zu bringen).

Um dem einen oder anderen Einwand bereits an dieser Stelle vielleicht zuvor zu kommen: Natürlich hat sich die PR seither weiterentwickelt und natürlich gibt es PR, die das Gute schafft. Dennoch ist es für einen aufgeklärten, offenen Zugang mit der Disziplin meiner Ansicht nach wichtig, sich ihrer Essenz bewusst zu sein. Das Ganze soll kein Rant auf viele sehr fähige und integere Kolleginnen und Kollegen sein. Denn, die gibt es und einige davon kenne ich zum Glück persönlich und sie leisten tolle Arbeit, die ich sehr schätze. Der Text möchte lediglich einen kleinen Beitrag zum historisch richtigen Verständnis von PR leisten. Das halte ich für wichtig. Deshalb ein paar Auszüge:

Moderne Propaganda ist das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit, einer Idee oder einer Gruppe zu beeinflussen.

E. Bernays, Propaganda. Die Kunst der Public Relations. Orange Press, 9. Auflage, 2018
S. 31

Es ist teuer, die gesellschaftliche Maschine zu manipulieren. Deshalb ist die unsichtbare Herrschaft und Kontrolle der Meinungen und Gewohnheiten der Massen tendenziell in der Hand von nur wenigen Menschen.

ebd., S. 41

Die Maschine Gesellschaft hat als Motor die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen. Nur wenn der Propagandist sie kennt und begreift, kann er den riesigen, lose verbundenen Apparat namens moderne Gesellschaft steuern.

ebd., S. 53

Das Ende der Geschichte ist abgeblasen

Was aber ist nun die Lösung? Ich habe nur eine etwas zu gutgläubige Vermutung: Ich betrachte PR als eine Form der professionellen Kommunikation der Moderne, die sich vor allem an Kapitalakkumulation und bedingungslosem Wachstumsglauben orientiert hat. Modernen Werten halt, die ja durchaus viel Gutes mit sich gebracht haben. Mittlerweile merken wir aber, dass wir damit eben nicht am Ende der Geschichte angelangt sind, wie es Francis Fukuyama 1992 vermutet hat. Es sei denn, wir möchten unserer eigenen alsbald eines setzen. Es ist an uns, die professionelle Kommunikation betreiben, diese produktiv für ein Zeitalter der Postmoderne weiterzuentwicklen. Das schließt nicht zuletzt, sondern zuallererst, die Werte und Absichten unserer Kommunikation mit ein. Das können doch um Himmels Willen hoffentlich nicht die gleichen wie 1928 sein.

Lasst uns die Menschen mit Kommunikation empowern statt manipulieren!

Wir sehen gerade wieder ein Erstarken der Propaganda-DNA, nicht zuletzt, weil wir als Branche Jahrzehnte lang Profit aus der Manipulation der Gesellschaft schlagen wollten und die Leute das unbewusst satt haben. In der Postmoderne ist es höchst an der Zeit für einen kommunikativen Selbstreinigungsprozess. Auch, weil es heute keiner mehr vermag, manipulativ getriggerte Entwicklungen in einer immer globaleren Gesellschaft einzufangen, so sie erst einmal losgelassen.

Dieser Text ist nicht als finales Fazit in Sachen PR gedacht, sondern als – meinetwegen durchaus streitbarer – Beitrag einer nötigen Diskussion. Warum ich also keine mache: Man kann es pingelig nennen, aber ich möchte mich von einem Begriff abgrenzen, der meiner Ansicht nach dem gesellschaftlichen Anspruch aufgeklärter, professioneller Kommunikation aus historischen Gründen nicht länger entspricht.

Und auch das sei noch gesagt: Das Buch selbst ist durchaus klug und erkenntnisreich, man sollte es gelesen haben. Im richtigen Kontext.

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