Moderne Kommunikation – was ist das?

Moderne Kommunikation – das klingt doch ziemlich zeitgemäß, richtig? Falsch. Moderne Kommunikation ist Kommunikation der Vergangenheit. Warum? Weil wir an der Stufe zur Postmoderne stehen. Spätere Generationen werden den Übergang von der Moderne zur Postmoderne daher mit dem letzten Jahrtausendwechsel datieren. Wichtig: Veränderung der Kommunikation ist immer Vorläufer von gesellschaftlichen Veränderungen. Umso wichtiger ist es, moderne Kommunikation zu kapieren.

Das menschliche Bewusstsein – das individuelle, wie das kollektive – befindet sich in einem kontinuierlichen Veränderungsprozess. Zahlreiche Faktoren haben darauf Einfluss. Einer der bedeutendsten ist die Entwicklung und Veränderung der Kommunikationstechnik. Durch Kommunikation schaffen und pflegen die Menschen ihre sozialen Beziehungen und formen ihr eigenes Bewusstsein. Technik, Möglichkeiten und Wirkung der Kommunikation als Basis dafür haben sich in der Moderne dramatisch verändert. Diese Veränderung hat sich im Bewusstsein der Menschen eingeschrieben.

Moderne Kommunikation: Revolution Buchdruck

Zu Recht hat Jeremy Rifkin festgestellt: „Der Buchdruck war eine echte Revolution.“ Dem stimmen wohl viele zu. Doch warum genau? „Er verhalf den mentalen Rahmen für eine Gesellschaft vorzubereiten, die sich um die Vorstellung von privaten Eigentumsbeziehungen und Tausch herum organisierte.“ Moderne Kommunikation als Vorläufer moderner Gesellschaftsstruktur.

Der Buchdruck ermöglichte es, das gesamte menschliche Wissen neu zu organisieren. Mnemotechnisch haben wir damit eine neue Dimension erreicht. Übrigens ist Mnemotechnik etwa seit dem 19. Jahrhundert ein geläufiger Begriff. Zuvor hatte Kommunikation, die zumeist nur oral stattfinden konnte, lediglich die eigene Erinnerung als Referenzpunkt. Noch waren Bücher exklusiv, in Art wie Inhalt, nicht standardisiert und kaum zugänglich. Dem Buchdruck schreibt man zu, diese Exklusivität aufgebrochen zu haben. Die relativ günstige Vervielfältigung schuf plötzlich Zugang. Sie ermöglichte der Gesellschaft fortan, ihr Wissen, ihre Erinnerungen und somit ihr Bewusstsein durch moderne Kommunikation völlig neu zu organisieren.

Es gab nun Verzeichnisse, Niederschriften, standardisierte Referenzpunkte. Viele hatten auf einmal Zugriff auf die Erinnerung anderer – in für alle identer Form. Die Menschen waren nicht länger daran gebunden, ihre Gedanken an die eigene Erinnerung anzubinden und von dort aus weiterzuentwickeln. Von nun an konnten sie ihr „Weiterdenken“ von vielen anderen Punkten weg starten. Fortschritt war nun viel einfacher vorstell- und viel schneller tatsächlich umsetzbar.

Die Vermessung der Welt

Mit der neuen Drucktechnik war es möglich, die Welt akkurat zu beschreiben. Landkarten, Tabellen, Berichte, Fahrpläne – all diese Möglichkeiten machten die Gedanken größer und die Welt ein bisschen kleiner. Verträge, Lieferscheine, Schecks, Frachtbriefe und so weiter ermöglichten die Organisation und Durchlässigkeit immer größerer Märkte. Die neue Technik führte folglich zu einer neuen Gesellschaft.

Phänomene konnten objektiviert werden, Rationalität gewann durch Standardisierung an Bedeutung. „Lineares, sequentielles und kausales Denken“ wird gefördert, wie es Rifkin ausdrückt. Die Gesellschaft beginnt eines zu begreifen: Gute, logische Ideen, die aufeinander aufbauen, ermöglichen Weiterentwicklung, im Gegensatz zu den ewig gleichen Redundanzen der bisherigen Erzählungen. Die gedankliche Perspektive verschiebt sich hin zum Fortschritt.

Standardisierung und Nationalismen

Der Druck war die Blaupause der Industrialisierung. Mit ihm wurde das finale Werk innerhalb eines Rahmens in standardisierte Einzelteile zerlegt und entsprechend angeordnet. Danach konnte man es nahezu beliebig und in immer gleicher Form reproduzieren. Kommunikationstechnik war Vorreiter einer neuen Entwicklungen, das ist hier deutlich zu erkennen.

Mehrfach findet diese Grundidee gesellschaftlichen Niederschlag. Einzelne Elemente werden ihrem Platz zugewiesen, in dem sie eine Rolle erfüllen müssen. Dinge werden auf neue Art im Raum verortet, und nicht nur Dinge. Die neue Weise, die Natur zu organisieren, erreicht auch die Menschen als solche.

Die Vervielfältigung benötigte zunächst eine Vereinheitlichung der Sprache. Daher gilt die Schriftsprache bis heute als der gemeinsame Standard. Damit schuf der Druck neue kollektive Identitäten, die sich über ihre gemeinsame, standardisierte Sprache konstatierten. Kollektive nationale Mythen wurden reproduziert, scheinobjektiviert und von jenen, die der Schriftsprache mächtig waren, in standardisierter Form rezipiert. Dies trug dazu bei, auch die Subjekte innerhalb eines Rahmens (der Nation) im Raum zu verorten und ihnen Plätze zuzuweisen. Die Nationen entstanden. (Für Interessierte: Im Detail habe ich mich in meinem Buch „Was glauben Sie, wer Sie sind?!“ mit dem Konstrukt nationaler Identitäten beschäftigt).

Beginn der Messbarkeit und die Kommerzialisierung der Kommunikation

Der Druck hat also einen Rahmen geschaffen und Standards entwickelt. Mit diesen konkreten Referenzpunkten waren fortan präzise Vergleiche innerhalb dieses Rahmens möglich. Es wurde einfacher, Dinge und Vorgänge zu messen – oder sie in ein Verhältnis zu setzen. Ein Beispiel ist Heisenberg oder das Heisenberg’sche Kommunikationsgesetz hier auf MediaPunk.org.

Die Ergebnisse und entstandenen Werke wurden nun zunehmend einzelnen Autoren zugeschrieben – ihren Urhebern. Die Idee der Urheberrechte hatte davor keine Relevanz. Aber durch die neuen Kommunikationstechnologien bekam die Idee Auftrieb, dass Gedanken und Erkenntnisse auch als Waren fungieren können. Die weitere Manifestation dieser Idee prägt den nächsten Übergang. Moderne Kommunikation hat sich überlebt, postmoderne Kommunikation prägt mittlerweile unsere Gesellschaft. Dazu mehr im Folgebeitrag „Postmoderne Kommunikation – was bedeutet das?“.

Moderne Kommunikation als Schmiermittel der Marktwirtschaft

Durch den Druck wurden erstmals große Teile der Gesellschaft alphabetisiert – eine große Errungenschaft der Menschheit! Gleichzeitig wurden die Menschen dabei mit jenen Kommunikationsmitteln und -fertigkeiten ausgestattet, die es ihnen ermöglichten, im komplexen, modernen Markt zu funktionieren und ihren Platz zu finden. Der „Kommerzdruck“, wenn man so will, organisierte die moderne Lebenswelt. Er ermöglichte es, den Subjekten im sozialen Feld zu Funktionieren und ihren Habitus entsprechend zu entwickeln, um Anleihe an Pierre Bourdieu zu nehmen.

Wie schon im Beitrag zum Heisenberg’schen Kommunikationsgesetz geschrieben, ist Kommunikation der maßgeblichste Faktor der Gesellschaft. Also sollte man moderne Kommunikation besser kapiert haben, um in der postmodernen Gesellschaft gestalten zu können.

Und da sage noch eine/r, Kommunikation interessiere sie/ihn nicht. Das ist im Wesentlichen unmöglich oder zumindest nihilistisch.

 

Zum thematischen und chronologischen Folgebeitrag geht’s hier entlang: „Postmoderne Kommunikation – was bedeutet das?“

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