Schon immer war die Verbindung zwischen Politik und Wirtschaft ein Feld für Interessenkonflikte und Machtspiele. Mit der Entstehung von Meme-Coins wie Trumpcoin erreicht diese Dynamik eine neue, unverblümte und dabei per default anonymisierte Dimension. Donald Trumps „OFFICIAL TRUMP“ ist das eindrücklichste Beispiel für eine immer besorgniserregendere, manchmal abstruse Entwicklung: Meme-Coins, die nicht nur Spekulation und „Fandom“ befeuern, sondern zur Umgehung klassischer Finanzregulierungen und Transparenzmechanismen genutzt werden können.
Meme-Coins: Eine neue Form der politischen Monetarisierung
Meme-Coins sind Kryptowährungen basierend auf kulturellen Trends und meist ohne langfristige wirtschaftliche Substanz (der FARTCOIN steht aktuell übrigens bei einer Marktkapitalisierung von 1,24 Milliarden, just sayin‘). Sie sind digitale Goldesel für Influencer und nun auch Politiker, die aus viralen Momenten Kapital schlagen – meist auf Kosten ihrer treuen Anhänger. Wer aktuell seine 15 Minuten Ruhm bekommt, launcht am besten einen Meme-Coin, um nach 14 Minuten und 59 Sekunden mit einem Rug Pull abzutreten (dazu mehr in ein paar Zeilen).
Weltbekannte, global marktführende Unternehmen entwickeln ihren Marktwert meist über Jahrzehnte, der Trumpcoin OFFICIAL TRUMP schoss innerhalb von 24 Stunden auf 70 Milliarden Dollar – mehr als Ford oder FedEx wert sind. Der Mechanismus dahinter ist recht simpel: Ein Coin wird ausgegeben, ein Großteil bleibt in den Händen der Initiatoren und durch gezielte mediale Aufmerksamkeit und Spekulation wird der Wert in die Höhe getrieben. Sobald dann genug externe Käufer investiert haben, können Insider große Mengen verkaufen, oft auf Kosten der Kleinaktionäre. Diese Form des Insider-Handels bleibt weitgehend unreguliert und ist schwer nachzuverfolgen. Die Transaktionen sind anonym.
Ein nicht unwesentlicher Aspekt im Fall-Trump: Die Trump-Familie hält rund 80 Prozent der Trumpcoin-Bestände. Über die massive Wertsteigerung hinaus generiert das Trump-Lager auch Einnahmen durch Gebühren, die bei jeder Coin-Transaktion anfallen. Allein in den letzten Tagen soll dies bereits Einnahmen von mehr als 15 Millionen Dollar lukriert haben …ein lohnendes Geschäftsmodell.
Mit heißer Luft kann man also nicht nur Turbinen antreiben, sondern auch Kurse. Trumpcoin ist aber nicht nur ein finanzielles oder populärkulturelles Phänomen, sondern auch ein politisches. Und allerspätestens da wird es hochproblematisch. Denn die Möglichkeit, politische Loyalität oder wirtschaftliche Interessen über anonyme Kryptowährungstransaktionen zu untermauern, ist ein potentielles Paradies für undurchsichtige Deals.
Unter uns Pastorentöchtern: Der Rug Pull erklärt
Wäre das alles nicht schon absurd genug, so gibt es noch mehr Absurditäten: Selbstverständlich nutzen nicht nur Politiker Meme-Coins zur Monetarisierung (von im besten Fall Popularität). Lorenzo Sewell, jener Pastor, der während Trumps Inauguration die Eröffnungsrede hielt, veröffentlichte unmittelbar danach seinen eigenen Lorenzo Coin. Dieser hielt sich lediglich vier Stunden, bevor sein Wert einbrach – die Betrugsvermutung liegt nahe, weil Sewell selbst seine Coins schlagartig verkaufte. …und why the heck sonst sollte der Typ einen Meme-Coin lancieren?
Nicht nur Pastoren, auch Social-Media-Phänomene springen auf den Zug auf: Das Hawk Tuah-Girl wurde zur Namensgeberin ihres eigenen Meme-Coins, der in kurzer Zeit in die Höhe schoss – um danach, Surprise Surprise, fast vollständig abzustürzen. Auch ihr gegenüber wurden Vorwürfe dieses postmodernen Pump-and-Dump-Schemes laut.
Abrakadaver: Werte verschwinden lassen mit dem „Rug Pull“
Nach dem Hype folgt bei Meme-Coins also häufg das abrupte Ende durch einen sogenannten „Rug Pull“. Dafür reservieren die Initiatoren eines Coins von Beginn weg einen großen Anteil für sich selbst. Anschließend treiben sie den Wert durch gezielte Aufmerksamkeits-Kampagnen in die Höhe (was könnte sich dafür besser eignen als die Aufmerksamkeit eines Internet-Phänomens) und verkaufen „plötzlich“ alle ihre Bestände auf einmal, wodurch der Coin-Wert massiv einbricht und die Fan-Investoren auf ihren intrinsisch ohnehin wertlosen, aber völlig überteuert gekauften Tokens sitzen bleiben.
Geopolitische Risiken: Trumpcoin als potenzielles Schmiergeld?
Schlimmer ist aber folgendes: Ein zentrales Problem von Kryptowährungen (die ich nicht an sich verteufle) ist ihre eingebaute Möglichkeit, sie für nicht ganz so legale Zwecke – wie politische Einflussnahme – zu nutzen. Während traditionelle Geldtransfers zumindest eine gewisse Nachverfolgbarkeit bieten, ermöglichen Meme-Coins eine nahezu anonyme Kapitalverschiebung.
Malen wir den Teufel also an die Wand: Ein Investor, Despot oder eine ausländische Regierung kauft große Mengen Trumpcoin, treibt damit den Wert nach oben und ermöglicht es dem Trump-Lager (das ja auch schon bei den Transaktionsgebühren mitschneidet), seinen Anteil nach und nach recht unauffällig zu verkaufen – ohne, dass klassische Kontrollmechanismen wie Finanzaufsichten oder Banken an irgendeinem Punkt dieses Prozesses involviert sind – und ohne die Gefahr, dass jemals jemand erfährt, um wen es sich handelt. Dies könnte dazu führen, dass politische Entscheidungen indirekt finanziell beeinflusst werden, ohne dass dies für die Öffentlichkeit transparent ist. Dafür müsste die Integrität des amerikanischen Präsidenten und seines Umfelds aber zweifelhaft und anfällig dafür sein, ihren persönlichen Vorteil über jenen des Landes (und seiner Verbündeten) zu stellen.
Well…
Ein neues Geschäftsmodell: Der einfache Einstieg ins spekulative Finanzwesen
Einen Meme-Coin zu erstellen, ist übrigens kein Hexenwerk und mittlerweile auch für Laien recht easy möglich: Auf Pump.fun etwa, kann man neue Kryptowährungen mit wenigen Klicks erstellen und direkt auf den Markt werfen. Dies senkt die Einstiegshürde für die Erstellung von Meme-Coins enorm und führt dazu, dass immer mehr versuchen, selbst von der neuen Kryptomonetarisierung von Aufmerksamkeit zu profitieren.
Bisher monetarisierten mehr oder weniger prominente Personen ihre Bekanntheit vorrangig über Werbung, Kooperationen oder Crowdfunding. Nun reicht es, einen eigenen Meme-Coin zu launchen, ihn zu bewerben und in einem günstigen Moment mit einem festen Ruck am Teppich zu ziehen.
Meme-Coin-Ära oder Sturm im Wasserglas?
Der Trumpcoin steht exemplarisch für eine mögliche neue Ära der fragwürdigen, undurchsichtigen Monetarisierung. Kryptowährungen kommen mit all den Potenzialen, die anonyme und dezentrale Transaktionen bieten, aber eben auch mit den Gefahren. In der Art und Weise, wie sie genutzt werden, sind sie sicherlich auch Kinder ihrer Umstände. Und letztere sind derzeit nicht grade jene, denen man seine Kinder eigentlich anvertrauen wollen würde. Also hat man, wenn man schon gezwungen ist, Teil dieser ganzen absurden Entwicklungen zu sein, besser ein Auge drauf und informiert sich, was da eigentlich grade so im Gange ist und wie das abläuft.
Ich hoffe, dazu hat dieser spontane Beitrag ein wenig beigetragen.