Wer sich heute mit gestern beschäftigt, ist morgen vermutlich tot.

„Ach, hätten wir das alles doch mal früher gewusst.“

Eine Phrase, die jeder und jedem irgenwann mal unterkommt. Doch häufiger, als es einem insgeheim lieb ist, müsste man entgegnen: „Tja, das haben wir.“

Nun gut, nicht unbedingt das mit der Corona-Krise, aber selbst da gab es wissenschaftliche Papers, die ziemlich genau davor gewarnt haben („Thus, it is highly likely that future SARS- or MERS-like coronavirus outbreaks will originate from bats, and there is an increased probability that this will occur in China„). Erstaunlich, nicht? Tja, nein. Erwischt!

Aber mir geht’s hier um etwas anderes.

Dieser Beitrag hat ein wenig mit wirtschaftlichem Hausverstand und dem Überwinden von Beharrungkräften zu tun.

„Jedes Unternehmen muss heute auch ein Medienunternehmen sein“

Diesen Satz habe ich 2015 in meiner längeren Analyse des Red Bull Mediahouse geschrieben. Die Notwendigkeit dessen war also damals schon längst kein Geheimnis mehr. Heute, und durch die aktuelle Krise katalysiert, stehen trotzdem „plötzlich“ viele da, wie der Ochs vorm Berg.

Wir stellen uns alle die gleiche, aber nicht immer die selbe, Frage: „Wie konnte das passieren?“ Die einen Fragen sich das hinsichtlich einer über sie hereinbrechenden Krise, die anderen hinsichtlich dessen, warum sich so viele – unabhängig von dieser – von seit längerem vorhandenen Erkenntnissen so überraschen lassen mussten…

Naja, sei’s, wie’s sei. Vergossene Milch. Generell tendieren wir alle ja gerne eher dazu, uns zu überlegen, was wir in der Vergangenheit hätten anders machen sollen, zu grübeln, welchen Zeitpunkt wir verpasst haben etc. und wo wir ansonsten jetzt stehen könnten. Dabei wäre diese ganze Energie erheblich besser darin investiert, sich zu überlegen, was es genau jetzt in der Gegenwart zu tun gilt und welchem Zukunftsszenario man zustreben möchte. Aber die Vergangenheit bildet a posteriori eine ihr nachträglich zugeschriebene Logik und Abgeschlossenheit ab. Sie scheint dadurch auch relativ klar und nicht mehr bedrohlich. Wogegen die Zukunft eine ungewisse ist und angsteinflößend sein kann. Genau in der Auseinandersetzung mit dem Unagenehmen liegt aber das zukünftige Gedeih; der Verderb in der vorrangigen Auseinandersetzung mit dem Vergangenen.

Optimierter Deckungsbeitrag statt Umsatzwachstum

So, zurück zum Thema. Was braucht’s also für eine rosige Zukunft? Als Organisation kann man das tatsächlich relativ logisch herleiten:

Es benötigt Produkte mit null bis sehr geringen Grenzkosten (sprich: Skalierbarkeit) und optimierten Deckungsbeiträgen.

Wenn meine Produkte kaum Fixkosten verursachen und auf Stückkosten gerechnet einen konstanten (und guten!) Deckungsbeitrag bzw. Ertrag abwerfen, liegt es nahe, diesen zu multiplizieren (ergo: zu skalieren). Das Ergebnis sollte damit positiv sein. True Story: Das war vor Corona auch schon so.

In Zeiten des Booms oder des Wachstums generell soll aber alles immer höher, schneller, weiter sein. Der absolute Trugschluss verblendet für die Weisheit, die in der Verhältnismäßigkeit liegt. Insbesondere trifft dies auf den Umsatz von Unternehmen zu. Dabei ist dieser – wenn man nicht gerade too big too fail ist, sondern ein „normales“, gesundes Unternehmen sein will – in der Tat relativ irrelevant. Viel wichtiger ist natürlich die Profitabilität. Was bringt mir riesen Umsatz, wenn ich am Ende draufzahle? Nichts, sogar weniger als nichts, denn es nimmt. Im wahrsten Sinn des Wortes.

Umsatzwachstum ist nie ein gutes Ziel

Umsatzwachstum ist nie ein gutes Ziel, dieser Tage noch viel weniger bzw. natürlich auch unrealistischer. Es greift als valides Ziel schlicht zu kurz. Viele Unternehmen haben große Umsatzbringer in ihren Portfolios und klammern sich mit aller Gewalt daran, ohne zu bemerken, dass diese auch gleichzeitig die größen Kostenverursacher sind – bei suboptimaler Ratio der beiden Größen. Die Zeit des Umsatzwachstums ist für viele jedenfalls erstmal vorbei. Das muss aber kein Drama sein.

Besser beraten sind jene, die angesichts der aktuellen Situation weniger auf Umsatz, denn auf Marge setzen. Die Verhältnismäßigkeit von Aufwänden und Erträgen ist viel entscheidender, als die absolute Größe des Umsatzes, hierin liegt kein größeres Geheimnis. Da kann es natürlich zu einer Diversifizierung oder „Patchwork“-Erlösströmen kommen. Diese sind dafür aber auch krisenresistenter.

Nicht die Quantität des Umsatzes gilt es zu optimieren, sondern die Qualität. Ich denke, für viele Unternehmen ist es jetzt an der Zeit, bei sinkenden Umsätzen profitabler zu werden.

MediaPunk 2020

Was aber könnten nun solche wundersamen Produkte sein, die ohne Grenzkosten, dafür aber mit formidablen Deckungsbeiträgen und noch dazu skalierbar daherkommen? Sowas ist doch bestimmt so selten, wie ein Einhorn…! Das ist natürlich Quatsch.

(Außerdem besagt der Mythos, dass Einhörner ohnehin nur von Jungfrauen gesehen werden. Und nach meinen Erfahrungen in der Berliner Start-up-Welt glaube ich das sogar. Aber weiter im Text:)

Content ist Kommunikation in Warenform

Was kein Quatsch ist: Digitale Inhalte können genau diese Anforderungen erfüllen. (Das entlässt einen natürlich nicht aus der Verantwortung, diese relevant und qualitativ zu machen, aber:) in ihrer Anlage bringen sie genau die gesuchten Qualitäten mit.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Content als Warenform ist nicht den Einschränkungen physischer Waren unterworfen. Er unterliegt also im Prinzip keinen zeitlichen und räumlichen Beschränkungen, ist nicht verderblich, verursacht keine Lagerkosten usw. usf. Und skalierbar ist er, weil digital, sowieso. Auch, sagen wir mal, entropisch ist das Ganze interessant. Schließlich wird das „Produkt“ durch seine Nutzung nicht verbraucht.

Dabei ist es zunächst unerheblich, um welche Art digitalen Inhalts es sich handelt, solange er qualitativ, relevant und zielgruppengerecht ist. Bedürfniserfüllung bleibt jedenfalls nach Corona und selbstverständlich auch bei Informationsgütern weiterhin das Kaufmotiv Nummer 1. Dennoch trennt eine unsichtbare Schwelle viele Unternehmen von ihrem Glück.

Warum fällt es uns so schwer?

Wir beharren auf alten Produkten und scheuen die Logik. Warum ist es verdammt nochmal so schwierig, hier die richtigen Entscheidungen zu treffen? Naja, das hat wohl in erster Linie mit dem umittelbarsten Gefühl des Menschen zu tun: Angst. Das ist ja nicht ungewöhnlich, geht es doch um Existenz(en). Wie bereits kurz ausgeführt, macht uns die Vergangenheit keine Angst. Schließlich ist sie abgeschlossen und kann im Nachhinein in eine vermeintliche Logik strukturiert werden. Beim Blick nach vorne gelingt das naturgemäß nicht, weshalb man lieber an den alten „Logiken“ festhält. „Da weiß man, was man hat“, so glaubt man. Dabei „hatte“ man „es“ nur, wenn überhaupt.

Zum Schluss noch kleiner Exkurs. Jeremy Rifkin hat mal geschrieben – und das finde ich an dieser Stelle als Denkanstoß irgendwie passend:

Die ganze Geschichte hindurch kam es immer dann zu großen ökonomischen Veränderungen, wenn der Mensch eine neue Energieordnung entdeckte und neue Kommunikationsmittel schuf, um diese zu organisieren. Das Aufeinandertreffen von Energieordnung und Kommunikationsmittel zeitigt eine neue Matrix zur Neuorientierung der Zeit-Raum-Dynamik, die wiederum einer größeren Zahl an Menschen erlaubt, sich in komplexen sozialen Geflechten zu organisieren (…) Im 19. Jahrhundert wurden dampfgetriebene Druckerpresse und Telegraf die Kommunikationsmittel, mit denen sich ein komplexes kohlebefeuertes Schienen- und Fabriksystem sowohl verknüpfen als auch verwalten ließ (…) Im 20. Jahrhundert wurden Telefon und später Radio und Fernsehen die Kommunikationsmittel für Management und Marketing einer geografisch gestreuteren, von Öl, Auto und Vorstädten bestimmten Ära des Massenkonsums. Im 21. Jahrhundert wird das Internet das Kommunikationsmittel für das Management sowohl dezentralisierter erneurbarer Energien als auch eines automatisierten Logistik- und Transportsystems in zunehmend vernetzten globalen Commons.

Jeremy Rifkin

Nun, so richtig sind wir in diesem 21. Jahrhundert noch nicht angekommen. An vielen Stellen leben die Unternehmen noch im 20. Vielleicht ist es ja fünf Jahre nach 2015 erneut an der Zeit, folgende Frage zu stellen:

Wieviel Medienhaus ist dein Unternehmen schon?

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