Peter Drucker 4.0: KI und Arbeit

1. Mai ist Tag der Arbeit. Ein Tag der Zukunft? Ein Tag der Vergangenheit? Vermutlich am ehesten ein Tag der Gegenwart. So wie jeder andere Tag auch. Dennoch Grund genug, sich ein paar Gedanken in Richtung Zukunft zu machen, denn auch da droht sich der unsägliche Pathos Bahn zu brechen – besonders, wenn es um das Thema KI und Arbeitswelt geht. Deshalb ein paar Gedanken, die sich mir dazu aufdrängen. Oder kurz gesagt: Manchmal lohnt sogar als betont Progressiver ein Blick in die Vergangenheit, im Heute angewendet. Noch kürzer: KI und Arbeit – Peter Drucker 4.0

Eigentlich ist es mit der KI ganz einfach. Wohlgemerkt eigentlich. Aber bevor man sich in Details verliert, wie wir es heute gerne tun (denn da wird es schwierig), sollte man ja mal die Prinzipien verstehen. Und die sind ganz einfach. Vorab: Keine Sorge! Auch wenn ich Peter Drucker hier strapaziere, ich werde auf das abgegriffene Zitat rund um Strategie, Kultur und Frühstück sehr gerne verzichten. Wer das trotzdem haben will, soll einfach Decks von Strategie-Präsentationen googlen, es wird unvermeidlich sein. Aber weiter im Text…

Peter knows best

Was hat also Peter Drucker mit KI zu tun? Nun ja, relativ viel, meine ich. Warum? Er hat die wesentliche Unterscheidung zwischen Effektivität und Effizienz im Sinne von “Doing the right things” und “Doing the things right” getroffen. Und beim “Doing the things right” rückt uns die KI allmählich stark auf die Pelle. Beim “Doing the right things” macht der Mensch den Qualitätsunterschied und das wird noch eine Weile so bleiben.

Drucker hat in “The Effective Executive” vor ein paar Jahrzehnten bereits geschrieben:

The knowledge worker is one of the factors of production through which the highly developed societies and economies of today become and remain competitive.

The computer being a mechanical moron can handle only quantifiable data. These it can handle with speed, accuracy and precision.

Peter Drucker

An dieser eingeschriebenen quantitativen Ausrichtung ändert auch die KI so schnell nichts. Es ist das Wesen der Maschine. So sehr sie sich auch um qualitative Zugänge bemüht, werden diese bei ihr immer von quantitativen Maßstäben abgeleitet bleiben müssen. Im Gegensatz zum Menschen:

But before spring into action the executive needs to plan its course. He needs to think about desired results, probable restraints, future revisions, checking points and implications (…)

Peter Drucker

Zeitdruck macht Menschine – Menschine stirbt

Time demands on the knowledge workers are not going down. Machine tenders now work only fourty hours week end soon may work only thirty-five and live better than anybody ever lived before, no matter how much he worked or how rich he was.

Peter Drucker

Tja, die kontinuierliche, generelle Verkürzung der Arbeitszeit ist entgegen der Logik nicht eingetreten. Um den Unsinn dieser völlig bescheuerten Nicht-Entwicklung zu begreifen, sind wir als Gesellschaft derzeit offensichtlich nach wie vor zu blöd.

Gleichzeitig macht das aber gerade jene, die heute „viel in viel Zeit schaffen„, am leichtesten ersetzbar. Darin steckt die überkommene Logik eines nicht mehr relevanten Status früher Industrialisierung. “Intelligente” Maschinen können heute schon in immer mehr produktiven (im wahrsten Sinn des Wortes) Bereichen 168 Stunden die Woche lang schaffen. In diesem Bereich wird der produktive Mensch immer mehr das Nachsehen haben, egal, ob er nun 20 oder 60 Stunden arbeitet. Die “Menschinen” an Fließbändern, Rechnern, Tabellen, die “Executioners” und “Fleißigen”, die haben da einfach einen biologischen Wettbewerbsnachteil. Oder, wie es Thomas Ramge schreibt:

Wenn Datengrundlage und Entscheidungsrahmen stimmen, entscheiden KI-Systeme besser, schneller und billiger als LKW-Fahrer, Sachbearbeiter, Verkäufer, Ärzte, Investmentbanker oder Personalmanager. (…)
Der Mensch bringt einer Maschine mühsam ein theoretisches Modell bei. Dieses Modell besteht aus bestimmten Regeln, welche die Maschine anwenden kann. Wenn die Maschine die passenden Daten für bestimmte Aufgaben oder Fragen zugefüttert bekommt, kann sie diese dann in der Regel schneller, genauer, zuverlässiger und günstiger lösen als der Mensch.

Thomas Ramge

Aber irgendjemand muss den angesprochenen Entscheidungsrahmen ja definieren. …oder anders gesprochen: Die grundsätzliche Frage nach dem Sinn ist zwar fern davon, gelöst zu sein. Aber sie ist immer noch die ur-menschliche Domäne. Die wird sie auch bleiben und letztlich den Entscheidungsrahmen setzen.

Gefressen von Maschinen

Fleißige, die für menschliche Verhältnisse effizient sind, werden von der KI gefressen werden. Denn, wenn es allein um Effizienz geht, wird die Künstliche Intelligenz für den Menschen unerreichbare Standards setzen. Dirigenten/Maschinen-Dompteure und Kreative allerdings, die meinetwegen auch in wenigen Stunden “Arbeit” der Maschinerie ihre Ausrichtung geben (ergo: den Entscheidungsrahmen definieren), werden sich auch in naher Zukunft keine Angst um ihre Jobs machen müssen. Ganz im Gegenteil, sie werden in der Hierarchie noch weiter nach oben gespült. Jene, deren “menschliche” Qualität Effizienz ist, sollten dagegen besser ein paar Exit-Szenarien entwickeln.

People are time consumers and most people are time wasters.

Peter Drucker

Auch das stimmt. Und das ist kein Vorwurf. Das ist sogar gut so und Teil des menschlichen Wesens. Muße und Humanismus, Fuckers!

Besser, du hast die richtige Frage parat, als die richtige Antwort!

Wer die richtigen Fragen stellt, wird Gewinner dieser Entwicklung sein. Allein mit den richtigen Antworten zu punkten, das mag effizient sein, aber eben nicht effektiv. Effizienz können neuronale Netze zunehmend besser, indem sie “lernen” – was aber letztlich  meiner Auffassung einfach einem (zwar gewaltigen, aber doch lediglich) Hochskalieren statistischer Verfahren mit Feedbackschleifen aus multiplen Quellen gleichkommt. Effektivität hingegen nicht. Überhaupt wird die Rolle der qualitativen Kommunikation weiter an Gewicht gewinnen (lucky me!)

Communications within the knowledge workforce is becoming critical as a result of the computer revolution in information. Throughout the ages the problem has always been how to get ‚communication‘ out of information. Because information had to be handled and transmitted by people, it was always distorted by communications; that is, by opinion. impression, comment, judgement, bias and so on. Now suddenly we are in a situation in which information is largely impersonal and, therefore, without any communications content. It is pure information.

Peter Drucker

Gute Kommunikation wird also keineswegs an Bedeutung verlieren, ganz im Gegenteil. Informationsweitergabe selbst wird immer effizienter. Zwischen Kommunikation und Informationsweitergabe stehen aber schlicht vielschichtige, menschliche Facetten.

Obacht, ein Paradoxon!

Es gibt unzählige Methoden und Ansätze, die unterschiedliche KI-Schulen unter dem Begriff ‘Künstliche Intelligenz’ einordnen. Die meisten, wichtigsten und erfolgreichsten allerdings folgen dem Grundprinzip den Computern weniger Theorie und Regeln vorzugeben, sondern Ziele. (…)

Dabei sollte doch gerade die Zielvorgabe das letzte menschliche Refugium sein! Das klingt also bedrohlich! Aber, hier kommt uns ein Paradoxon zugute. Auch Maschinen werden etwa die Lottozahlen nie voraussagen können, denn…

(…) Die Zukunft lässt sich aus Daten der Vergangenheit nur halbwegs zuverlässig vorhersagen, wenn sich nichts Grundlegendes ändert. Die Digitalisierung schafft hier selbst ein interessantes Paradox.”

Thomas Ramge

Die distinktive Frage dabei wäre aber viel mehr: Will ich Lotto spielen? Wenn ja, warum? Macht es mich glücklich?

Humanismus 4.0

Vielleicht keimt in dieser ganzen Entwicklung auch der Samen der Rückbesinnung auf die Werte der Aufklärung. Würde uns ja gerade nicht so schlecht zu Gesicht stehen. Der Mensch stellt die Fragen. Und wer Fragen stellt, leistet einen wichtigen Beitrag. Wenn uns die ganze Effizienz-Hascherei abgenommen wird und wir dafür mehr Zeit bekommen, die richtigen Fragen zu stellen, kann das gut werden!

Und jetzt: Geht mit diesen Zeilen raus euch besaufen, es ist 1. Mai!

AI will increase efficiency. AI will not increase effectivity, that remains the human domain, still.
If your job is to increase efficiency, you should be concerned.
If it’s creating effectivity, your job is more valuable than ever.
AI might be the next step of what we call industrialization to relief us from dumb efficiency-work towards humanistic effective work.
In fact, it might help to differ between man and machine again.

me

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