Derivate Medienprodukte

Derivate Medienprodukte können die neue Produktform für virtuelle Publisher werden. Dabei ist das Produkt der Content – und zwar ausschließlich dieser. Ein eigener Container – also eine eigene Plattform oder gar ein eigenes Druckwerk – ist dafür nicht mehr zwingend erforderlich.

Ich bin zwar großer Freund einer eigenen Website oder eines eigenen Blogs als Content Hub. Zwingend erforderlich ist dies heute aber nicht mehr. Einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordern sie noch dazu. Derivate Medienprodukte funktionieren theoretisch auch ohne. Alles, was es dazu braucht, ist eine Redaktion und ein gutes Brand.

An einem Beispiel abgehandelt, kann das etwa so aussehen: Freunde gründen das fiktive Online-Magazin “TransformationTrends”. Dafür setzen sie eine Fanpage auf Facebook, einen YouTube-Kanal, ein Twitter-Profil, einen Instagram-Account …und was noch so dazu passt, auf. Die Inhalte, die sie produzieren, vermarkten sie “nur mehr” auf diesen Kanälen, etwa als Instant Articles – allerdings stets unter dem Brand “TransformationTrends”. Das Branding über alle Kanäle hinweg bildet die integrative, umspannende Klammer – nicht länger die eigene Plattform. Diese Möglichkeit macht den Einstieg ins digitale Publishing niederschwelliger. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Erfolgsaussichten automatisch steigen. Dennoch: Ein virtuelles Magazin rein auf Fremdplattformen mit gutem Brand kann mittlerweile funktionieren.

Nun haben schon nahezu alle Medien darauf gesetzt, Brand-Kanäle auf Drittplattformen zur Unterstützung ihres eigenen Containers (also Print-Produkt, Online-Portal, Blog etc.) zu nutzen. Der gedankliche Unterschied bei derivaten Medienprodukten: Sie verwenden ausschließlich diese Drittplattformen zur Vermarktung ihres Contents und ersparen sich den Schritt, die Leute auf ihre Zielplattform weiterzuleiten, wo letztlich erst die Monetarisierung stattfinden kann. Zudem fällt die ganze Entwicklung, Betreuung und Wartung der Infrastruktur am Ende eines langen Nutzerweges weg. Wer mit den gegebenen Möglichkeiten der Fremdplattformen zurecht kommt, kann sich also vollends auf die Inhalte und deren gefällige Aufbereitung konzentrieren. Die solltest du ja ohnehin beherrschen.

Monetarisierung für derivate Medienprodukte

Die Gretchenfrage ist auch hier natürlich: Kann ich damit Geld verdienen? Nun ja, das hängt in erster Linie am Inhalt – wie überall. Ist der einzigartig? Gibt es Bedarf? Beides in entsprechendem Ausmaß, dass die Zielgruppe auch dafür bezahlen würde? Und wenn nicht: Vereine ich im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie genug Aufmerksamkeit in meinem Brand, die ich über Umwege oder zu einem späteren Zeitpunkt monetarisieren kann?

Sind die Antworten hierfür zufriedenstellend, können derivate Produkte in vergleichbarem Ausmaß Revenue erwirtschaften, wie klassische (digitale) Medienprodukte. Gleichzeitig verursachen sie aber erheblich geringere systemimmanente Fixkosten.

Parasitärer Vertrieb

Noch kurz zur Kohle, das interessiert euch alle letztlich ja am meisten: Monetarisierungsmöglichkeiten sind etwa – klassisch, aber nie ein gutes (ausschließliches) Geschäftsmodell – Ads (ja, die gibt’s auch auf Drittplattformen – und seien es Affiliate Links, die man ohnehin selbst setzen kann). Wer genug Vertrauen in den eigenen Content hat, kann diesen aber auch vermittels parasitären Vertriebs monetarisieren – etwa über Blendle (mehr dazu in meinem Artikel Parasitärer Vertrieb als Geschäftsmodell). Übrigens: Auch Facebook selbst will in diesem Jahr noch die Möglichkeit einer Paywall für einzelne Artikel anbieten, wie The Verge im Juli berichtet. Der Begriff Paywall ist leider schon vergiftet, aber wenn die Convenience passt, wird auch das funktionieren (immerhin hat auch Apple vermittels Convenience die Menschen wieder zurück zum Bezahlen für Musik gebracht).

Der Vorteil ist klar: Medienmachen wird einfacher und unkomplizierter. Organisatorisches – vom Betrieb der Plattform bis zur Zahlungsabwicklung – ist nicht länger Hindernis und extern gut aufgehoben. Sehr guter Content reicht, zumindest im Prinzip. Ist ja auch nicht die einfachste Aufgabe. Die Medienmarke findet bei derivaten Produkten also vollkommen dort statt, wo sich auch die Zielgruppe befindet.

Nachteile gibt es aber natürlich auch: Man macht sich abhängig von den Plattformen. Mehr dazu in meinem Artikel Find what you love and let it kill you.

Wenn du dennoch den Versuch unternehmen willst, Content vorrangig auf deiner eigenen Seite gegen Entgelt zu vermarkten – dann mache es deinen Kunden bitte zumindest so einfach wie möglich, dir Geld zu bezahlen. Es ist in deinem eigenen Sinne!

 

Weiterführende Lesetipps

Der König ist tot, es lebe der König! Zum Content-Unbundling der Medien

Wie Medien zerfließen in Apple, Facebook und Google, ohne zu verschwinden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert